Gottesdienst 2021 in Coronazeit (Foto: Stadtkirche Celle)

In Memoriam Johann Arndt

zum 400. Todestag am 11. Mai 2021

Arndt-Portrait

Johann Arndt war sicher der bedeutenste Celler Theologe. Er gehört in die lange Reihe der Generalsuperintendenten im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg. 1555 wurde er bei Ballenstedt am Harz geboren. Nach dem Theologiestudium unter anderem in Helmstedt und Wittenberg, war er zunächst Seelsorger verschiedener Gemeinden im Anhaltinischen. Er verlor seine Stelle jedoch, weil er sich weigerte, reformierte Gottesdienstformen zu übernehmen. Das stärkte seinen Ruf als streitbarer Lutheraner. Nach Stationen in Quedlinburg und Braunschweig berief ihn Ernst II., Enkel von Herzog Ernst dem Bekenner, 1611 als Hofprediger und Generalsuperintendent nach Celle. Der Herzog erlebte Arndts Amteinführung jedoch nicht mehr. Mit der Begräbnispredigt für Ernst II. führte sich Arndts in sein neues hohes Amt in Celle ein.

Mit Ernsts jüngerem Brüder, Herzog Christian, arbeitete Arndt eng und vertrauensvoll zusammen. Gemeinsam gestalteten sie das Kirchen- und Schulrecht neu. Für den 1613 vom Herzog gestifteten neuen Altaraufsatz in der Stadtkirche entwickelten sie gemeinsam das theologische Bildprogramm. Dieser Altar ist bis heute in der Stadtkirche zu bewundern.

In seiner Celler Gemeinde war Arndt wegen seines sozialen Engagements und vor allem aufgrund seiner lebensklugen, lebendigen Predigten sehr beliebt. Mehrere gedruckte Predigtbände entstanden auf Initiative des Herzogspaares. Zusammen mit den "Vier (später Sechs) Büchern vom wahren Christentum" und dem "Paradies-Gärtlein" fanden die Predigtbände weite Verbreitung. Sein Hauptwerk, die "Bücher vom wahren Christentum" wurden in ganz Europa, Russland und Amerika verbreitet, vielfach übersetzt und in mehr als 300 Auflagen gedruckt.

Für Arndt war praktiziertes, tätiges Christentum wichtiger als starre Gesetzlichkeit. Wegen seiner weltweiten Bedeutung gibt es – wie so oft – unterschiedliche Meinungen über das Grundverständnis von Johann Arndts Gedankenwelt: Wollte er die theologisch gefestigte Lehre als verinnerlichte Frömmigkeit leben oder war er eher ein mystischer Freigeist, der Gottes Offenbarung in direkter Rede erlebt hat?! Darüber wird man sich in Theologenkreisen weiter streiten können. Doch unbestritten ist seine Wirkung. Sein Erbauungsbuch vom wahren Christentum ist ein Bestseller der christlichen Weltliteratur. Gerade von den theologischen Laien wurde Arndt viel gelesen. Bibel, Gesangbuch und „der Arndt“ waren gerade bei deutschen Auswanderern nicht selten die einzigen Bücher im Regal.

Die Stadtkirche hat mehrere Ausgaben der „Vier (bzw.) Sechs Bücher vom wahren Christenthum“. Besonders gefreut haben wir uns über eine Ausgabe, die 1838 in Philadelphia / USA gedruckt wurde und der Stadtkirche gespendet wurde. Es hatte jemand herausgefunden, dass Arndt an der Stadtkirche Pastor war und uns das Buch dann 50 Jahre nach dem Kauf in den USA zugeschickt. Der letzte Satz des Begleitbriefes lautete: „Ich würde mich freuen, wenn das Buch in die richtigen Hände kommt.“ Das ist gelungen. Wir freuen uns sehr darüber und halten es in Ehren!

Der Pietismus ist eine prägende Erneuerungsbewegung in der Kirche. In der Zeit zwischen der Reformation und der Aufklärung – also um 1700 herum - prägte sie die evangelische Kirche. Johann Arndt half dieser Bewegung indirekt auf den Weg. Als Urschrift des Pietismus gelten die „Frommen Wünsche“ (Pia Desideria von 1675) des Philipp Jakob Spener. Sie wurden gleichfalls oft gedruckt und weit verbreitet. Ursprünglich jedoch waren sie das Vorwort zu einer der vielen Druckausgaben von Johann Arndts Erbauungssbuch.

Arndt hat sich zwar Zeit seines Lebens als kämpferischer Lutheraner verstanden, aber weit über Konfessionsgrenzen hinaus gewirkt, gerade auch bei katholischen Lesern. Seine Frömmigkeit wirkte durch ihren Hang zum Mystizismus überkonfessionell.

Arndt hat dabei ungeplant Einfluss auf die Länder genommen, in die sein Werk mitgenommen wurde. Es gibt dazu die buntesten Untersuchungen. Eine beschäftigt sich mit dem Einfluss seiner Sprache auf die Entwicklung des pommerschen Dialekts von Auswanderern in Brasilien. Eine andere Studie gilt orthodoxen Übersetzungen in Russland. Im Vergleich der russischen Ausgaben von Arndts Wahrem Christentum zeigt sich bis zur Oktoberrevolution, wie das lutherische Element zugunsten der Mystik gekürzt wurde. Mystik war in der russisch-orthodoxen Umwelt natürlich leichter zu vermitteln.

Zu Arndts Ehren trägt unser Gemeindehaus den Namen des großen Theologen, und auch die Stadt Celle erinnert mit einer kurzen Straßenverbindung zwischen Bahnhofstraße und Trift an Johann Arndt.

F. Kremzow und V. Latossek

Ausschnitt

Hinweis:
Früher wurde "Arndt" auch nur mit "d"
geschrieben, so wie "Johann" auch mit
einfachem "n".

Ein andächtiger Mensch, der gerne betet, der schauet und rufet die göttliche Majestät an, durch das Anschauen liebet er dieselbe, und durch die Kraft der Liebe wird er mit derselben verbunden und vereiniget; mit solcher heftigen Liebe wird er bisweilen außer ihn geführet zu dem, welchen er liebet, also und dergestalt, dass er vielmehr außer ihm als in ihm selber lebet. …
Ein andächtiger Mensch wird Gottes Freund, dass er stets vor sein Angesicht kommt, und in sein Heiligthum gehet, ohne Hindernis, und mit Gott gar freundlich umgehet. Ich muss hierher ziehen unseres Heilandes tröstlichen Spruch (Johannes 10,9): „Ich bin die Tür, so jemand durch mich eingehet, der wird selig werden, und wird ein- und ausgehen, und Weide finden.“
Was bedeutet ein- und ausgehen anderes als die allergrößte Freundschaft. „Siehe ich stehe vor der Thür und klopfe an, so jemand meine Stimme hören wird, und die Thür aufthut, zu dem werde ich eingehen, und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit mir.“ (Offenbarung 3,6). Denn weil der Mensch also mit Gott in Freundschaft stehet, so pfleget sich unser Gott oftmals zu seinem Freund zu begeben. O du liebliche Güte und Freundliche Gottes!

(5. Buch vom Wahren Christenthum, 2. Theil, 13. Kapitel)